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Der Plattfuß des Erwachsenen
(Tibialis-posterior-Dysfunktion)
Der Plattfuß des Erwachsenen (Tibialis-posterior-Dysfunktion)
Für die schnellen Leser – Auf einen Blick
Beim Plattfuß des Erwachsenen handelt es sich um eine chronisch voranschreitende Fehlstellung des Fußes die durch
- eine Minderung der Fußlängswölbung (Senkfuß)
- eine Vermehrung des X-Stellung der Ferse (Knickfuß)
- eine Abweichung des Vorfußes zur Außenseite
charakterisiert ist. Auch wenn die Fehlstellung prinzipiell mit einem entwicklungsbedingten kindlichen Knick-Senkfuß vergleichbar ist, sind Ursachen und Therapie nicht identisch.
Die Unterscheidung zwischen den beiden genannten Formen des Knick-Senkfußes ist vor allen Dingen aus dem Verlauf möglich. Der kindlische Knick-Senkfuß ist dadurch charakterisiert, dass die Entwicklung der Statik des Fußes unter dem zu erwartenden Ausmaß zurückbleibt.
Beim Knick-Senkfuß des Erwachsenen verliert der Fuß seine Statik erneut, nachdem er am Ende des Wachstums eine “nahezu normale Form” erreicht hat. Man spricht deshalb auch vom “Erworbenen Plattfuß des Erwachsenen”. Da das Krankheitsbild eng mit einem Verschleiß der Tibialis-posterior-Sehne verbunden ist, der zu einem Funktionsdefizit des Muskels führt, wird oft auch der Begriff Tibialis-posterior-Dysfunktion benutzt.
Ausgeprägter Knick-Senkfuß rechts mit Verlust der Fußwölbung
Linker Fuß mit etwas reduzierte aber immer noch normaler Fußwölbung
Ausgeprägter Knickfuß rechts, Innenknöchel auf der Innenseite prominent
Single-Heel-Rise-Test pathologisch: Keine Varisierung der Ferse im einbeinigen Zehenspitzenstand
Gesunde Gegenseite: Hier adäquate Varisierung der Ferse im Zehenspitzenstand und dadurch Stabilisierung des Fußes
Ursachen und Entstehung
Wesentliche Komponente des Plattfußes des Erwachsenen ist ein Verschleiß der Tibialis-posterior-Sehne. Die Tibialis-posterior-Sehne verläuft hinter dem Innenknöchel und setzt am Os naviculare (Schiffchenbein des Fußes) an. Bei der Belastung des Fußes stabilisiert der Zug der Sehne den Rückfuß. Der Vor- und Mittelfuß wird über einen komplexen biomechanischen Mechanismus gegenüber dem Rückfuß verriegelt. Dadurch stabilisiert sich der Fuß als ganzes, so dass ein kräftiger Abdruck vom Boden möglich wird. Ist der Zug der Tibialis-posterior-Sehne geschwächt, gelingt diese Stabilisierung nicht und der dynamische Abdruck des Fußes ist gemindert oder gar unmöglich. Die Stabilität des Fußes kann auf einfache Art und Weise überprüft werden. Versucht man sich auf einem Bein auf Zehenspitzen zu stellen, ist dies nur bei einer guten Funktion der Tibialis posterior-Sehne möglich. Ist der Zug der Sehne geschwächt, hat der Patient Probleme sich in den Zehenspitzenstand auf einem Bein zu begeben. Manche Patienten können überhaupt nicht mehr auf Zehenspitzen laufen.
Bereits bei der Betrachtung der Füße von hinten fällt der ausgeprägte Knickfuß rechts auf
Adäquate Aufrichtung der linken Ferse im einbeinigen Zehenspitzenstand
Unzureichende Lageänderung der rechten Ferse im einbeinigen Zehenspitzenstand, einbeiniger Zehenspitzenstand überhaupt nur sehr eingeschränkt durchführbar
Klinischer Test auf unzureichende Funktion der Tibialis-posterior-Sehne
Ursächlich für den Funktionsverlust der Tibialis-posterio-Sehne ist in der Regel ein chronischer Verschleiß der Sehne. Im Zuge des Verschleißes kommt es zu Mikrorissen in der Sehne, zu einer Auftreibung der Sehne und zu einer Dehnung der Sehne in die Länge. Die Längung der Sehne führt dann dazu, dass dem Muskel die nötige Vorspannung für die Kraftentwicklung fehlt. Die unzureichende Aktivität der Muskels bzw. führt dann zu einem progredienten Knick-Senkfuß. Die Fußfehlstellung erhöht wiederum die Belastung der Sehne, da der Muskel nun über einen ungünstigeren Hebelarm arbeiten muss. Somit entsteht ein sich selbst verstärkender Kreislauf mit Abschwächung der Muskelkraft und zunehmender Fehlstellung des Fußes.
Es gibt keine verlässlichen Daten zur Häufigkeit des Krankheitsbildes oder zur Häufigkeit eines Verschleißes der Tibialis-posterior-Sehne. Es gibt zudem keine verlässlichen Möglichkeiten, den Verschleiß der Tibialis-posterior-Sehne zuverlässig zu verhindern. Im Falle einer beginnenden Schädigung ist eine Behandlung mit gewölbestützenden Einlagen sinnvoll.
Wie wird die Diagnose gestellt?
Die Diagnose eines “Plattfuß des Erwachsenen” oder einer “Tibialis-posterior-Dysfunktion” kann ohne technische Zusatzuntersuchungen, allein durch eine klinischen Untersuchung, gestellt werden. In aller Regel wird man zusätzlich ein Röntgenbild des Fußes in 2 Ebenen im Stand anfertigen. Vor einer geplanten Operation des Fußes empfehlen sich noch zusätzliche Röntgenaufnahmen zur Beurteilung des oberen Sprunggelenkes und der Beinachsen.
Schwerer Knickfuß auf der rechten Seite. Der Auftrittspunkt der rechten Ferse ist weit zur Außenseite versetzt. Im Vergleich dazu normale Verhältnisse auf der linken Seite
In der seitlichen Sicht deutliche Steilstellung der Längsachse durch das Sprungbein (Talus)
Längsachse durch das Sprungbein und Längsachse durch den ersten Mittelfußknochen nicht mehr in einer Linie
Degenerative Veränderungen der Tibialis-posterior-Sehne im MRT (Kernspintomogramm)
Der Zustand der Tibialis-posterior-Sehne lässt sich durch eine Kernspintomographie (MRT) beurteilen. Allerdings ist der Verlauf der Sehne hinter dem Innenknöchel gebogen, wodurch eine Darstellung erheblich erschwert wird. Auch ist ein unauffällige Darstellung der Sehne kein sicheres Ausschlusskriterium für eine mangelnde Funktion und damit für eine Tibialis-posterior-Dysfunktion. Zusammenfassend ist eine Darstellung mittels Kernspintomographie zwar hilfreich, aber nicht zwingend für die Planung der weiteren Behandlung erforderlich.
Behandlung
Die Behandlung des Plattfußes des Erwachsenen richtet sich vor allem nach dem Ausprägungsgrad der Fehlstellung und dem Funktionsdefizit der Tibialis-posterior-Sehne. Liegt ein frühes Stadium der Erkrankung vor, ist die Belastbarkeit des Fußes eingeschränkt, ohne dass schon eine deutliche Fehlstellung des Fußes eingetreten ist. In einem solchen frühen Stadium sollte der Fuß mit einer Einlage unterstützt werden.
Leider kommt es nicht selten, trotz einer konsequenten Abstüzung des Fußes durch Einlagen, zu einer zunehmenden Fehlstellung des Fußes mit den bekannten Komponenten:
- Verlust der Wölbung auf der Innenseite des Fußes
- Abweichung des Vorfußes nach außen
- Knickfuß-Fehlstellung der Ferse
Mit zunehmender Fehlstellung nimmt die Belastbarkeit des Fußes ab. Schmerzen können sowohl auf der Innenseite des Fußes, unterhalb des Innenknöchels, als auch auf der Außenseite des Fußes entstehen. Nicht selten strahlen die Schmerzen vom Fuß entlang des Verlaufs der Tibialis-posterior-Sehne in den Unterschenkel aus. Bei anhaltenden Beschwerden ist einen operative Rekonstruktion des Fußes empfehlenswert.
Die einzuschlagende operative Strategie richtet sich zunächst an der Frage aus, ob noch eine flexible Fehlstellung vorliegt oder schon ein kontrakter Zustand eingetreten ist. Unter einer flexiblen Deformität ist eine Fehlstellung zu verstehen, die sich manuell bei der Untersuchung oder bei Entlastung des Fußes wieder in einen “normalen Zustand” des Fußes bringen lässt. Bei kontrakten Fehlstellung ist eine manuelle Redression des Fußes in den ursprünglichen Normalzustand nicht mehr möglich.
Flexible Deformitäten sollten wenn möglich gelenkerhaltend korrigiert werden.
Bei kontrakten Fehlstellung ist eine Korrektur durch eine Kombination aus Knochendurchtrennungen und korrigierenden Gelenkversteifungen erforderlich. Ein häufiger und typischer Eingriff ist in derartigen Situationen die sog. Double-Arthrodese.
Glücklicherweise ist das obere Sprunggelenk, welches maßgeblich an der Abrollbewegung des Fußes beteiligt ist, in der Regel nicht geschädigt und kann deshalb erhalten werden. Dies bedeutet, dass selbst nach korrigierenden Versteifungen des Rückfußes, wie sie bei kontrakten Plattfuß-Deformitäten regelmäßig erforderlich sind, die Belastbarkeit des Fußes nicht eingeschränkt ist und das Gangbild im normalen Schuh unauffällig ist.
Fazit
Die häufigste Ursache für einen neu aufgetretenen Plattfuß des Erwachsenen ist ein Verschleiß der Tibialis-posterior-Sehne. Neben dem Verschleiß der Sehne, der in ausgeprägten Fällen zu einem Riss der Sehne führen kann, kommt es zu einem Funktionsverlust des Muskels, weshalb auf von einer Tibialis-posterior-Dysfunktion gesprochen wird.
Ein Verschleiß der Tibialis-posterior-Sehne lässt sich nur in seltenen Fällen so behandeln, dass es zu einer vollständigen Heilung der Originalsehne kommt. In der Frühphase der Erkrankung kann man den Fuß durch Einlagen so unterstützen, dass die Belastung der Sehne abnimmt und die Beschwerden dadurch gelindert werden. Meistens kommt es jedoch trotz der Einlagenversorgung zu einem fortschreitenden Verschleiß der Sehne. Dieser Vorgang kann langsam über Jahr voranschreiten. Kommt es trotz Einlagen zu anhaltenden belastungsabhängigen Beschwerden ist eine operative Korrektur zu empfehlen. Art und Ausmaß der Korrektur sind von der individuell vorliegenden Fehlstellung abhängig. Gelenkerhaltende Korrekturen können bei mittelschweren flexiblen Deformitäten Form und Funktion des Fußes wiederherstellen. Aber selbst bei schweren Fehlstellungen mit erheblicher Beeinträchtigung der Belastbarkeit kann durch eine operative Stabilisierung des Fußes eine gute Belastbarkeit mit normalem Gangbild erreicht werden.
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